Die ersten Entscheidungen beim CHIO Aachen 2024 sind gefallen. Gruppen, Damen und Herren traten heute im Preis der Sparkasse an und kämpften um die Titel, die allesamt verteidigt werden konnten – was weniger selbstverständlich war, als es sich vielleicht anhört.
Ja, es waren die Titelverteidiger, die auch in diesem Jahr beste Gruppe im Preis der Sparkasse wurden: das Team Norka des VV Köln-Dünwald. Aber ein Selbstgänger war das nicht. Denn das erfolgsverwöhnte rheinische Team hatte zwar über den Winter fleißig an einer neuen Kür gearbeitet, aber dann fielen zwei zweibeinige und vor allem die vierbeinige Säule des Europameisterteams verletzungsbedingt aus. Bela Lehnen befindet sich nach einem Kreuzbandriss im Aufbautraining. Philip Goroncy hat sich den Fuß gebrochen. Pferd Calidor hatte auch einen gelben Schein eingereicht. Für letzteren sprang Juniorenpferd Ecuador ein, für die beiden bein- bzw. fußverletzten Athleten wurden Thomas Brüsewitz und Justin van Gerven reaktiviert, die die Gruppe eigentlich bereits 2022 verlassen hatten. Neue Athleten mit ihren individuellen Stärken erforderten eine neue Kür, berichtete Trainer Torben Jacobs. Das wiederum führte dazu, dass die letzten Monate nicht langweilig wurden für ihn und sein Team. „Was sonst im Winter in Sachen Training passiert, musste jetzt innerhalb von ein paar Wochen nachgeholt werden.“ Von daher machen sich die Europameister diese Saison keinen Druck. „Natürlich haben wir Ambitionen (auch in Hinblick auf die Weltmeisterschaften in Bern, Anm. d. Red.), aber wir machen das für uns.“ Und natürlich fürs Aachener Publikum, das die Albert-Vahle-Halle zum Beben brachte, als die Lokalmatadoren ihre Gruppenkür sauber durchgeturnt hatten. Und noch einmal, als die Ergebnisse verkündet wurden. Schon Freitag in der Pflicht war das Team Norka des VV Köln-Dünwald mit 7,806 Punkten beste Mannschaft gewesen. In der Kür, die mit 60 Prozent zum Gesamtergebnis beiträgt, setzten die Kölner sich mit 8,861 Punkten deutlich von der Konkurrenz ab. Das ergab 8,439 Punkte insgesamt und den nächsten Sieg für die Rheinländer Truppe.
Platz zwei ging mit 7,983 Zählern an das deutsche Debütanten-Team Fredenbeck Junior I mit Capitain Claus an der Longe von Gesa Bührig. Pferd und Longenführerin kennen das Gefühl, im Preis der Sparkasse zu triumphieren. 2021 trug Capitain Claus die Senioren des norddeutschen Voltigiervereins zum Sieg. Dieses Team hat sich inzwischen aufgelöst, für die Junioren war es das erste Mal in Aachen. Über mangelnden Nachwuchs kann Gesa Bührig sich nicht beschweren. „Wir haben 100 Mitglieder. Fredenbeck hat 5000 Einwohner.“ Keine schlechte Quote also. Im Durchschnitt sind die Athleten in Bührigs neuer Spitzentruppe 13 Jahre jung, letztes Jahr waren sie Weltmeister der Junioren. Bührigs Erfolgsgeheimnis? „Ich glaube nicht, dass wir mehr Talente haben. Wir arbeiten einfach.“
Rang drei sicherte sich mit 7,711 Zählern die Schweizer Mannschaft mit Pferd Fjall Raven an der Longe von Alexandra Löwy. Freitag in der Pflicht hatte das eidgenössische Sextett noch vor Fredenbeck auf Rang zwei gelegen. Doch Platz vier in der Kür am Samstag mit 7,978 Zählern reichte nicht, um diese Position zu halten.
Meyer krank zum Sieg
Bis 13 Uhr lag Kathrin Meyer am Samstag noch im Bett – „irgendein Infekt“. Der sich ausgerechnet das Aachen-Wochenende ausgesucht hatte, um die Titelverteidigerin der Damen im Preis der Sparkasse lahmzulegen. Oder es zumindest zu versuchen, denn zweieinhalb Stunden später turnte Kathrin Meyer ihre Kür durch, als sei nichts gewesen. Das war wichtig. Meyer stand unter Druck. Sie musste liefern, wollte sie die Gesamtwertung gewinnen. Newcomerin Alice Layher, im letzten Jahr noch U21-Weltmeisterin und dieses Jahr zum ersten Mal in Aachen am Start, hatte sich nach Pflicht und Technik nämlich mit hauchdünnem Vorsprung vor Meyer gesetzt. Geschlafen hat Meyer trotzdem tief und fest. „Für mich ist es einfacher anzugreifen als zu verteidigen“, sagte sie. Gesagt, getan. Trotz Virus begeisterte sie mit ihrer Kür, die die Karriere ihres Pferdes, ihrer Mutter und ihr selbst thematisiert, Richter wie Zuschauer gleichermaßen. Das Trio gewann die Kür mit Weile und hatte unter dem Strich 8,603 Punkte auf dem Konto, die es nun zu schlagen galt für Layher.
Was die 22-Jährige zeigte, war gut, aber nicht gut genug. Kleine Patzer in ihrer heutigen Kür führten dazu, dass sie hier „nur“ Fünfte wurde – zu wenig, um den ohnehin dünnen Vorsprung zu verteidigen. Mit 8,483 Punkten insgesamt beendete sie ihren ersten CHIO-Auftritt auf Rang zwei. Enttäuscht? Nein: „Ich bin sehr stolz, wie es geklappt hat!“, betont sie. Zumal sie angesichts der Aachener Atmosphäre vor der ersten Teilprüfung vor der Pflicht „doch aufgeregt“ gewesen sei, wie sie zugab.
Dank konstant guter Leistungen in allen drei Teilprüfungen konnte sich die Schweizer Weltcup-Dritte Danielle Bürgi auch in Aachen Rang drei erkämpfen. Und das ganz knapp geschlagen. 8,434 Punkte kamen zusammen für sie und Bartolino an der Longe von Lisa Huber.
Jabets „intensives“ Wochenende
Bei den Herren gelang es Frankreichs Quentin Jabet ziemlich unangefochten, seinen Titel zu verteidigen. Er hatte bereits Pflicht und Kür für sich entschieden auf dem von Andrea Boe longierten Ronaldo, und heute in der Kür setzten die Richter ihn erneut ganz klar an die Spitze. Am Ende siegte er mit 8,713 Punkten. Sein Fazit? „Intensiv! Die Zeit ist so kurz und die Emotionen kommen so schnell“, sprudelte er hervor, noch völlig außer Atem und voller Begeisterung. Vor allem für das Aachener Publikum, das die Athleten nicht nach Nationen, sondern nach Leistungen feiert. „Die Zuschauer hier sind unglaublich, verrückt, besser als auf jedem Championat!“, so der Franzose, der sich schon jetzt freut, seinen Namen zum zweiten Mal an der Siegertafel am Hauptstadion lesen zu können.
Nicht ganz so glücklich war sein stärkster Konkurrent, der vierfache Aachen-Sieger Thomas Brüsewitz, der auf dem von Maik Husmann longierten William II Z am Start war. „Ab der zweiten Hälfte habe ich es mir selber ein bisschen schwer gemacht“, beschrieb er sein Gefühl in der Kür zu Michael Jacksons „Dangerous“. „Da waren ein, zwei Patzer, die nicht hätten sein müssen.“ Rang drei in der Kür reichten dennoch, um seinen zweiten Platz in der Gesamtwertung mit 8,447 Punkten zu verteidigen.
Eine Aufholjagd legte Julian Wilfling auf Aragorn an der Longe von Alexander Zebrak hin. Rang fünf in der Pflicht und Platz sechs in der Technik sahen gestern noch nicht nach einem Podiumsplatz aus. Aber in der Kür brillierte das Trio, belegte Rang zwei und konnte sich damit in der Endabrechnung auf den dritten Platz vorschieben (8,171).
Harwardt und Künne in Front
Letztes Jahr konnten Peter Künne und Diana Hawardt erstmals die Entscheidung der Paare im Preis der Sparkasse gewinnen. Nun sind sie wieder auf der Siegerstraße, erneut mit ihrem bewährten DSP Sir Laulau, den Andrea Harwardt longiert. Ganz klar setzten sich die Europameister 2023 und Silbermedaillengewinner der WM 2022 in Herning heute gegen die Konkurrenz durch. In Punkten ausgedrückt hieß das: 8,726 Zähler für Harwardt/Künne zu 8,041 Punkten des zweitbesten Paares, Gisa Sternberg und Linda Otte, die auf Espresso an der Longe von Cornelia Ammermann ebenfalls unter deutscher Flagge in Aachen im Einsatz sind. Auf Rang drei (7,945) liegen vor der entscheidenden zweiten Kür am Sonntag die Österreicher Emily Scherer und Valentin Schmid auf Aragorn Elmar XV mit Sabine Frauenschuh.